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Deine Paketzustellung

2017 haben wir diesen Text schon einmal verbreitet, aber leider ist die Thematik immer noch aktuell. Vielen ist die Situation hinter den Kulissen der Versanddienstleister nicht bewusst. Mir war es deshalb ein Anliegen, dieses Plädoyer für unsere Zusteller etwas detaillierter zu formulieren. Stellenweise etwas provokant, aber das gibt das Thema leider her.

Wir beide - du als Kunde, wir als Händler - sitzen in einem Boot. Wir möchten, dass unsere Pakete schnell bei dir ankommen. Du möchtest dein Paket so schnell und unkompliziert wie möglich erhalten. Und wir beide ärgern uns täglich über die Paketzusteller. Berechtigterweise? Nicht immer.

Wir möchten hier etwas Licht hinter die Kulissen der Zusteller bringen und so Verständnis für deren Situation wecken.

Die Situation der Versanddienstleister ist fatal: es gibt keine Mitarbeiter. Niemand möchte diesen Job machen. Und das liegt nicht nur an der unzureichenden Bezahlung. Es ist ein Knochenjob, der nur selten mit Dankbarkeit belohnt wird, weder vom Auftraggeber, noch vom Kunden. Somit ist es nur logisch, dass immer mehr Zusteller mit Paketen in der Republik herumfahren, die kaum oder nur rudimentäre Deutschkenntnisse besitzen. Manche von ihnen können noch nicht einmal lesen oder schreiben. Darüber kann man sich ärgern, das bringt uns aber nicht weiter, denn das wird sich in Zukunft nicht bessern.
So kommt es, wie es kommen muss: Pakete erreichen die Kunden nicht. Ist der Name auf dem Paket zwar deutlich lesbar, kommen viele Zusteller mit den handgeschriebenen und teilweise unleserlichen Namen am Klingelschild (wenn überhaupt ein Klingelschild vorhanden ist) an ihre Grenzen. Sehr oft werden die Pakete nicht zugestellt, weil der Zusteller den Namen auf dem Paket mit dem Namen auf dem Klingelschild nicht in Zusammenhang bringt. So entsteht die absurde Situation "Empfänger nicht zu ermitteln".
Manchmal werden die Pakete auch einfach hinters Haus geworfen. Auch das ist natürlich ärgerlich. Aber manche wissen sich einfach nicht mehr zu helfen. Nach dem zwanzigsten Empfänger, der mal wieder nicht anzutreffen ist, überlegt man als Zusteller wahrscheinlich, wie man jetzt dieses Paket endlich los wird. Und da kommt der Carport, der Vorgarten oder die Nebentreppe gerade recht. Ja, es ist nicht rechtens, aber es passiert. Und auch das wird sich nicht ändern, auch wenn wir uns auf den Boden werfen und mit den Beinen strampeln und auf unser Recht pochen.

Überhaupt ist das so eine Sache mit dem "nicht angetroffen". Ja, manche Versanddienstleister versprechen mehrere Zustellversuche. Aber muss man das wirklich ausreizen? Wenn ich berufstätig bin, dann wäre es ratsam, eine abweichende Lieferadresse in der Bestellung anzugeben. Für DHL Pakete gibt z.B. die Möglichkeit, direkt an eine Filiale oder eine Packstation schicken zu lassen (hier ist eine Postnummer zu beantragen!). So wären schon einmal mehrere Anfahrten pro Paket gespart und der Zusteller hätte viel mehr Zeit und Luft, sich um die anderen Empfänger, die zu Hause sind, zu kümmern. Auch die Umwelt wäre entlastet.

Ja, meist ist es so, dass dein Zusteller dich kennt . Der kennt auch deine Nachbarn und weiß, was zu tun ist. Das geht auch meist gut. Aber irgendwann ist auch dein Zusteller mal krank, hat Urlaub oder einfach die Schnauze voll von dem Job und kündigt. Dann kommt ein anderer Zusteller und das Kartenhaus bricht zusammen.

Die Zusteller haben keine Zeit, in der Nachbarschaft herum zu irren, um jemanden zu finden, der vielleicht das Paket entgegen nimmt. Und sie haben noch weniger Zeit, danach wieder zurück zum eigentlichen Empfänger zu hetzen, um diesem eine Benachrichtigungskarte einzuwerfen. Überhaupt werden aus Zeitmangel diese Benachrichtigungskarten nur vereinzelt noch ausgestellt. Den Zustellern fehlt die Zeit dafür. Ja, auch darüber kann man sich ärgern, aber auch das wird nichts ändern. Man kann aber auch einfach das Tracking im Auge behalten. Jeder Kunde erhält eine Mail mit Trackingdaten.

Wenn jemand keine Mail erhält, kann das drei Gründe haben:
  • die Mail landet im Spamordner. Die wenigsten Kunden schauen dort nach, dabei ist das so wichtig.
  • die Mailadresse, die bei der Bestellung angegeben wurde, ist falsch geschrieben
  • das Mailpostfach ist voll.

Wir bestellen online, wir überweisen online, wir machen ALLES online. Aber wir beschweren uns, wenn keine Benachrichtigungskarte im Briefkasten liegt. Wir sollten uns Gedanken machen.
Weihnachten wird der Versandhandel bzw. werden die Versanddienstleister mal wieder an ihre Grenzen stoßen. Warum? Weil die Mitarbeiter fehlen. Wie schon gesagt: niemand will diesen Job machen. Denn man kann als Zusteller nur verlieren.
Ja, die mangelhafte Bezahlung ist mit ein Grund dafür. Aber warum ist das so? Auch da tragen sowohl Händler und Kunden gleichermaßen Schuld. Denn wir wollen alles GRATIS haben. Versand darf nichts kosten, soll aber im Zweifelsfalle mehrfach durchgeführt werden. Der Kunde wurde so in den letzten Jahren von Amazon und Co erzogen: versandkostenfrei ist das Zauberwort. 
Wovon sprechen wir? Wir sprechen von einer Kurierdienstleistung. Wir sparen uns die Fahrt in die Stadt (wo wir eh nicht das bekommen, was wir wollen). Wir sparen es uns, aus dem Bett aufzustehen. Wir sparen uns die Parkhauskosten. Wir erhalten unser Paket an die Haustüre gebracht! Was für ein Luxus! Eigentlich eine geniale Sache. Aber sie ist uns nichts wert. Diese Dienstleistung darf nichts kosten. Sonst bestellen wir woanders.
Somit werden die Versanddienstleister von den Händlern enorm unter Druck gesetzt. Denn selbstverständlich müssen wir Händler diese Dienstleistung bezahlen. Die Kosten dafür versuchen die Händler zu drücken. Natürlich. Denn der Kunde möchte nichts dafür bezahlen. Selbst wenn der Kunde seine Adresse falsch eingibt und das Paket zurück kommt - der Kunde möchte die Kosten dafür nicht übernehmen. Ein Dilemma. Und so wird sich auch in dieser Sache in Zukunft nichts ändern. Die Zusteller werden weiter ausgebeutet werden, denn unserer Gesellschaft ist diese Leistung nichts wert.
Wir beobachten die Diskussion über die Tatsache, dass ein paar Einzelhändler am Sonntag, den 24.12. ihre Geschäfte öffnen möchten. Ein Aufschrei geht durch die Republik: die armen Verkäufer (die das im übrigen meist freiwillig machen und dafür an diesen Tagen besser bezahlt werden und Freizeitausgleich erhalten).

Woher kommt es, dass hier eine fast schon lächerliche Solidarität entsteht (niemand dieser Kritiker geht Sonntags ins Kino, tanken, ins Krankenhaus oder zu McDonalds und Co), während auf den Zustellern, die diesen Knochenjob gegen alle Widrigkeiten versuchen, auszuführen sofort herumgehackt wird, wenn die Benachrichtigungskarte im (vielleicht schwer erreichbaren) Briefkasten fehlt? Ein Mysterium.

Wir appellieren deshalb an alle Kunden, Besteller und Onlinekäufer: Bitte mach es den Zustellern leicht! Sei zu Hause! Und wenn das nicht möglich ist, gib eine abweichende Lieferadresse an. Oder vereinbare einen Ablageort mit dem Versanddienstleister oder registriere Dich für eine Postnummer bei DHL, um Pakete bequem an einer Packstation abzuholen.
Es gibt viele Alternativen, man muss die Zusteller nicht dreimal anfahren lassen, nur weil es geht. Ja, der Kunde ist König und es ist sein Recht. Aber das alles nutzt nichts, wenn die Situation im Versandhandel kollabiert. Und das tut sie in absehbarer Zeit, wenn sich die Einstellung mancher Kunden nicht ändert.
Wir möchten die Welt besser machen, möchten Nachhaltigkeit leben, Bio und Natur unterstützen. Vielleicht sollten wir diesen Anspruch auf ALLE Bereiche des Lebens übertragen. Die Paketzusteller gehören dazu. Sie stehen momentan auf der letzten Stufe unsere Gesellschaft. Dabei erfüllen sie uns unsere Wünsche, dienen uns, erbringen eine Leistung, die gar nicht gut genug bezahlt werden kann: sie erleichtern uns das Leben.
Lassen auch wir sie leben. Indem wir uns ab und zu Gedanken machen. Denn momentan werden sie von Kunden und Händlern wie jemand behandelt, auf den wir verzichten können. Aber das ist nicht der Fall.

Vielleicht bestellst du für deinen Zusteller einfach mal eine Seife mit oder eine Deocreme. Oder drückst ihm (oder ihr) im Sommer eine Flasche Wasser in die Hand. Die Freude ist bestimmt groß.